TAG DER OFFENEN TÜR Verein für Luftfahrt lädt Gäste in ihre lautlosen Segler ein
Noch vor dem Erreichen der Garbenheimer Wiesen wirft der Tag der offenen Tür des VfL Wetzlar seine Schatten voraus: An einem kleinen Checkpoint sitzt ein junger Mann mit einer rot-weißen Signalfahne in der Hand. Direkt dahinter ein Schild: „Bei gehobener Fahne anhalten!”
Die Intention dahinter ist klar: Um das Vereinsgelände zu erreichen, muss erst die Start- und Landebahn überquert werden. Dort werden die interessierten Gäste von den engagierten Mitgliedern freudig begrüßt, allen voran dem Ersten Vorsitzenden Jörg Mathes, der bereits seit mehr als 30 Jahren beim VfL aktiv ist und in einen Segelflieger steigt.
Dem 47-Jährigen ist geradezu anzumerken, mit welcher Leidenschaft er seinem motorlosen Hobby nachgeht und wie gern er von seinen Erfahrungen und Erlebnissen berichtet – seien es die regelmäßigen Touren in die umliegenden Mittelgebirge, nach Nordfrankreich oder das befriedigende Gefühl, mithilfe der Thermik den Himmel zu erobern. „Es ist Freiheit pur“, schwärmt er: „Von da oben wirken alle Probleme so klein, es ist ein sehr intensives Erlebnis.“
Per Winde geht es in kurzer Zeit in die Luft für einige Runden hoch über die Stadt und das Lahntal
Und der Lerneffekt ist riesig: Da höchstens in Notsituationen ein kleiner Hilfsmotor zum Einsatz kommt, erfordert das Segelfliegen von den Piloten nicht nur stetige Konzentration, sondern ebenso Wissen über die Natur und Physik, um thermische Aufwinde optimal zu nutzen. „Für viele junge Menschen ist dieses Wissen der Einstieg ins spätere Berufsleben“, sagt Mathes, der seine Passion an seine Söhne weitergab.
Einer von beiden, der 21-jährige Felix, hat seinen Flugschein seit einem Jahr in der Tasche und demonstriert zum Tag der offenen Tür mit dem 19-jährigen Flugschüler Alex Schmidt den Segelflieger seines Vaters. Wer möchte, darf sich ins Cockpit setzen. „Das Fliegen toppt das Auto- oder Motorradfahren um Längen“, gibt Felix zu, während Alex hinzufügt: „Man stellt es sich cool vor und es ist noch viel cooler, es zu machen.“
Als besondere Aktion bietet der VfL genau das an: Mit erfahrenen Piloten eine Runde über die Domstadt kreisen. Per Windenstart werden die Segler mithilfe eines 1600 Meter langen Stahlseils und einer motorisierten Trommelwinde in kurzer Zeit in die Höhe befördert. Der Rest ist Faszination pur.
In den Flugpausen übernehmen schließlich die Modellflieger das Kommando und beweisen dem Publikum, dass sie in Sachen Unterhaltung, Aufsehen und Spektakel durchaus mit dem „großen Bruder“ mithalten können. Einer der Aktiven ist Christopher Schellhase, der mit seinem Flieger nicht nur Loopings demonstriert, sondern vor allem mit dem Geschwindigkeitsmesser punktet. „250 sind locker drin“, sagt der 21-Jährige lachend, ehe er seinen Vogel landet und anschließend im Gras den Akku wechselt. Die verbaute Leistung hat ihren Preis: Nach zwei Minuten geht dem Flieger die Puste aus, „aber das ist es mir wert.” Seit acht Jahren ist er schon im Verein, hat im Laufe der Zeit sogar die Leitung der Modellflugabteilung übernommen und liebt sein Hobby noch wie am ersten Tag. „Für einen Schüler ist es der günstigere Weg, um mit dem Fliegen erstmalig in Berührung zu kommen“, erklärt Schellhase, der von allen einfach nur Chris gerufen wird. Besonders reizt den Studenten aber ebenfalls das motorlose Fliegen mit einem Modellflugsegler. „Das Nutzen der Aufwinde, der Kampf mit der Natur, das Adrenalin. Selbst nach drei Stunden wird es mir nicht langweilig“, sagt Chris. „Außerdem bin ich nicht auf einen Akku angewiesen.“
In diesem Moment tritt ein 13-Jähriger Junge mit Sonnenhut dazu, klopft Schellhase auf die Schulter und stellt sich als Jonas Bednorz vor, einer von Chris’ Flugschülern. „Du hast das Gefühl der Freiheit vergessen“, vervollständigt er seinen Mentor, der zustimmend nickt. Kurz darauf landet der nächste große Doppelsitzer, was für die Modellflieger nur eins bedeutet: Der Luftraum ist wieder frei, nun sind sie wieder an der Reihe.