Segelfliegen, eine Leidenschaft für das ganze Leben
Im Aufwind immer höher steigen, sich von der Erdoberfläche immer weiter entfernen, nur das Fahrtgeräusch im Ohr, frei wie ein Bussard. So erfährt der Segelflieger, die Segelfliegerin höchste Glücksgefühle, Freiheit, Schwerelosigkeit. Beim Segelfliegen wird der Traum vom Fliegen in vielleicht reinster Form zur Realität. Segelflieger sind dennoch keine Träumer, sondern Realisten, technisch interressiert, sicherheitsbewusst, naturbegeistert, Teamplayer. Segelfliegen ist kein Statussymbol, sondern Leidenschaft. Hier zählen Begeisterung und Erfahrung, Stetigkeit und Konzentration, Kameradschaft und Respekt, körperliche Fitness und ein wacher Geist.
Segelfliegen: Wie funktioniert das?
Unser Sportgerät ist das Segelflugzeug, das aerodynamisch gesehen die Formel 1 der zivilen Luftfahrt darstellt. Die Oberflächen der Flugzeuge sind so glatt wie bei keinem anderen Luftfahrzeug. Moderne Segelflugzeuge werden aus Kunststoffen hergestellt. Sie haben schlanke Rümpfe und dünne, schmale Flügel. Die Flügelspannweite liegt zwischen 15 und 31 m, das Gewicht der Flugzeuge bei 200 bis 850 kg. Ihre Gleitzahlen betragen bis zu 1:60, d.h. aus einem Kilometer Höhe können sie ohne äußere Einflüsse bis zu etwa 60 km weit gleiten. Der VfL Wetzlar stellt seinen Mitgliedern zeitgemäße, moderne Segelflugzeuge zur Verfügung, die nach den letzten Standards ausgerüstet und gewartet sind.
Segelflugzeuge sind voll steuerbar und die Konstruktionen unterliegen den gleichen Bau- und Wartungsvorschriften wie denen von Motor- und Passagierflugzeugen. Es werden Geschwindigkeiten zwischen 75 und 275 km/h geflogen, dabei werden Höhen von 2000 m über Grund und mehr erreicht. Überlandflüge finden überwiegend in Höhen über 800 m statt.
Während des Fluges gilt es, Aufwinde zu finden und diese für ein schnelles Steigen zu nutzen. Bussarden gleich (und häufig auch in enger Nachbarschaft zu diesen und anderen Vögeln) schraubt sich das Segelflugzeug in der aufsteigenden Warmluft nach oben. Mit der gewonnenen Höhe wird anschließend in einem mehr oder weniger schnellen Gleitflug der nächste Aufwind angeflogen. Im Flachland können wir die thermischen Aufwinde, die durch die Sonneneinstrahlung entstehen, nutzen. Bei günstiger Wetterlage können wir mehr als zehn Stunden in der Luft bleiben und dabei mehrere hundert Kilometer zurücklegen. Im Hochgebirge, wo Hangwinde und Wellenaufwinde hinzukommen, liegt der Streckenrekord bei fast 3000 km.
Auf Grund der Abhängigkeit von der Sonnenintensität ist die Ausübung unseres Sports hier in Mittelhessen auf Tage mit sonnigem Wetter beschränkt. Die Saison für die Überlandflüge dauert meist von März bis September.
Der Start von Segelflugzeugen erfolgt an Winden oder per Flugzeugschlepp. Bei uns in den Garbenheimer Wiesen wird überwiegend mit der Winde gestartet. Winden sind im Prinzip Lastkraftwagen mit auf der Ladefläche montierten kräftigen Diesel- oder Benzinmotoren, die große Seiltrommeln antreiben. Unser Windensystem ist auf einem alten Hanomag-Fahrgestell, das vor vielen Jahrzehnten bei der Firma Leitz seine Dienste tat, montiert und verfügt über einen starken Turbodieselmotor mit hohem Drehmoment. Es wird grundsätzlich gegen den Wind gestartet. Dabei wird ein ausgelegtes 4,7 mm starkes Stahlseil eingezogen, an dessen Ende das Segelflugzeug eingeklinkt ist. Bei 1200 bis maximal 1600 m ausgelegter Seillänge in den Garbenheimer Wiesen gelangt das Segelflugzeug, abhängig von der Stärke des Gegenwindes, auf etwa 300 bis 750 m über Grund. Je höher die Ausklinkhöhe, desto größer ist die Chance, Anschluss an die Thermik zu finden. Ohne Thermik muss der Pilot nach einer Platzrunde direkt wieder landen. Diese dauert dann etwa 5 bis 10 Minuten. Der Windenstart ist sehr bewährt, sicher, günstig und umweltfreundlich (Verbrauch von etwa 0,75 Liter Diesel pro Start).
Besonders im Ausland, aber auch auf einigen Plätzen in Deutschland wird der Flugzeugschlepp bevorzugt. Hierbei wird das Segelflugzeug an einem 30 bis 60 m langen Seil von einem Motor- oder Ultraleichtflugzeug in die Höhe gezogen. Dieser F-Schlepp ist nicht unbedingt sicherer, aber teurer und meist weniger umweltfreundlich. Er hat jedoch den großen Vorteil, daß das Segelflugzeug an einen gewünschten Ausklinkort in die gewünschte Höhe, vorzugsweise in die Thermik, gezogen werden kann.
Einige Segelflugzeuge haben auch einen kleinen Zweitakt- oder Elektromotor in ihrem Rumpf eingebaut. Damit ist nach kurzer Rollstrecke ein sogenannter Eigenstart ohne äußere Hilfe möglich. Das Triebwerk und der Propeller werden nach Erreichen der Thermik im Rumpf eingeklappt und das Flugzeug fliegt dann in reiner Segelflugkonfiguration weiter. Die kleinen Klapptriebwerke ermöglichen dem Piloten auch das heim kommen, falls die Thermik einmal nachlässt.
Nach einem ausgedehnten Flug versuchen wir im Normalfall auf dem Startflugplatz in den Garbenheimer Wiesen wieder zu landen. Dabei müssen wir vorgegebene Platzrunden und Funkverfahren einhalten. Wenn einmal die Thermik vorzeitig nachlässt, können Außenlandungen sowohl auf fremden Flugplätzen als auch auf landwirtschaftlichen Flächen vorkommen. In diesem Fall fährt dann ein Team mit einem Flugzeuganhänger zum Außenlandeort, um das Flugzeug abzurüsten und zum Heimatflugplatz zurück zu transportieren.
Die eigentlichen, intensiv genutzten Start- und Landeflächen für Segelflugzeuge sind kurz gehaltene Grünflächen von ca. 300 m Länge und 50 m Breite. Um verschiedene Windrichtungen nutzen zu können, liegen diese Landbahnen an der Ost- und Westseite (Richtung A45 bzw. Richtung Wetzlar) unseres Segelfluggeländes. Durch den Schleppweg, auf dem die Seile ausgezogen werden, sind sie miteinander verbunden.
Kann man auch mal mitfliegen?
Selbstverständlich kannst Du (SegelfliegerInnen Duzen sich) beim VfL Wetzlar mit einem erfahrenen Piloten mitfliegen. Du kannst Dir in einem unserer Doppelsitzer die Gegend von oben ansehen und bei passenden Wetter auch das Thermikgefühl erleben. Ein Gastflug von bis zu 15 min kostet 25 €. Am Besten besuchst Du uns in den Sommermonaten bei gutem Wetter an den Wochenenden oder Feiertagen etwa um die Mittagszeit. So etwa zwei Stunden Zeit solltest Du mitbringen, da nicht immer der passende Flieger für Dich sofort am Start stehen kann.
Till Michalek, sh
Quellen + Zitate aus: Luftsport und Naturschutz- Gemeinsam abheben, Braunschweig 2003, vom Deutschen Aero Club, sowie Bundesamt für Naturschutz.